Michael Disqué
Ein Datum und ein Ort:
Abgerissene Plakate, derangierte Wäscheständer, abgestellte To-Go-Becher, Plastiktüten in einem Baumloch, Michael Disqué sieht Dinge auf der Straße, die der Zufall dort arrangiert hat. Manchmal stehen sie solitär in der Gegend rum oder liegen auf dem Boden, manchmal rotten sie sich zu Haufen zusammen und ergeben eine kleine Sperrmüllgemeinschaft. Es sind Farbspuren darunter und zerfetze Tierkadaver. Oft ist nur ein Objekt auf einem Foto dokumentiert, doch einige Objekte werden regelrecht umkreist und abgetastet, in dem sie aus unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen werden.
Fotografisch werden sie festgehalten und auf diese Weise zu Fundstücken – zu gefundenen Objekten. Das Ergebnis sind Fotografien, deren Inhalt sich an der Grenze zum Nichts bewegt.
Disqué hält auf seinen Fotografien ephemere Konstellation und wertlose Gegenstände fest und rettet sie damit vor dem Vergessen. Er provoziert auf diese Weise Gedanken zu Wert, Wertlosigkeit und In-Wert-Setzung, zum Einfluss des Zufalls und der Bedeutung der künstlerischen Intention, denn wenn das Kunstwerk so schwer zu identifizieren ist, ist es der Fokus, den der Künstler*in auf die Fundstücke lenkt, sowie die Entscheidung sie im Kunstkontext zu verorten, die diese zu Kunstwerken macht.
Der Entscheidung Fundstücke zu fotografieren geht die Geste des Wegwerfens und Hinterlassens voraus. Das Archiv spielt damit auch auf die heutige Überflussgesellschaft mitsamt ihrer Nach-mir-die-Sintflut-Haltung an. Aber können die Bilder wirklich ein aktives Mittel gegen das Vergessen sein, wenn sie die Objekte aus ihrem Kontext herausreißen, stillstellen und ästhetisieren?
Michael Disqué selber schreibt: „Archiv und Müll sind an sich schon miteinander verbunden. Denn alles, was aus seinem Nutzungskreislauf herausgefallen ist, steht außerhalb der Gegenwart. Damit ähneln sie Kunstwerken, die ebenfalls aus gängigen Verwertungszusammenhängen herausfallen.“