Manipuliere die Wirklichkeit oder sie manipuliert Dich

Michael Kurzwelly

„weisse zone

die ahnung

ist sonde der seele

in das mysterium.

nase des herzens,

die das weisse

der zone

durchforscht.

gestern – ist das verwelkte,

das gefühl

und die grabstatt

des wissens.

nichts – stört

den rhythmus des atmens

und gestern wird morgen

wird heute – ist gehen

entlang weißer schilder

um’s nichts.

Bei der „weissen zone“ handelt es sich um das weltweit erste Gebiet, das es nicht mehr gibt. Es liegt etwa 120 Kilometer nordwestlich von Berlin zwischen Neuruppin und Wittstock. Eine Gesamtfläche von etwa 140 Quadratkilometern wurde 2005 aus der Landkarte entfernt und kann nicht mehr betreten werden, weil dort Nichts ist. Sie können dort nicht hinein. Keiner weiß, was passiert, wenn sie sich in das Nichts hinein begeben. Sie können aber in sieben Etappen um die ‚weisse zone‘ herum wandern, indem Sie den weissen Wegweisern folgen. Dabei können Sie die touristischen Angebote des Zonenrandgebietes in Anspruch nehmen. Das Wandern ums Nichts ist nicht ungefährlich. Manchmal wissen Sie nicht mehr, ob Sie draußen sind oder drinnen. Besonders gefährlich ist das plötzliche Entstehen paralleler Realitäten. Wenn Sie als Gruppe wandern, sollten Sie sich beim Auftreten dieses Phänomens zusammen setzen und sich darüber einigen, welche Realität sie gemeinsam wählen, denn ansonsten droht die Gruppe in verschiedenen Wirklichkeiten zu verschwinden und Sie sehen sich möglicherweise nie wieder! Sie können auch einen Forschungsaufenthalt im „iwf“ (institut für „weisse zone“ forschung) buchen und sich dort intensiv auf Nichts vorbereiten. Das Institut befindet sich in Zempow am Zonenrand und beherbergt unter anderem eine Bibliothek, die sich mit Nichts beschäftigt. Dort finden Sie unter anderem die Abhandlung von Kurt Tucholsky ‚Zur soziologischen Psychologie der Löcher‘.

Anlass für diese Wirklichkeitskonstruktion war der politische Streit um eines der größten militärischen Sperrgebiete in Deutschland. Nachdem nach der politischen Wende 1990 die sowjetische Armee 1993 dieses Gebiet verlassen hatte, wollte die Bundesrepublik das Gelände erneut zu einem Testgebiet für Bombenabwürfe im Rahmen der NATO machen, aber die lokale Bevölkerung wehrte sich mit ihrer Initiative „Freie Heide“ gegen das sogenannte „Bombodrom“. Ich fragte mich, ob es wohl möglich sei, ein so großes Gebiet einfach jeglicher menschlicher Infrastruktur zu entziehen.“ Michael Kurzwelly

In seinem Vortrag wird der Aktionskünstler Michael Kurzwelly das Projekt vorstellen und es in den Kontext seiner Arbeit in Frankurt/Oder einordnen.