Frauke Boggasch und Ayumi Rahn
Frauke Boggasch: Glaubst Du an Geister?
Ayumi Rahn: Ich glaube, es gibt zwei grundlegend verschiedene Definitionen von Geistern. In der westlichen Welt bezeichnen wir damit die Seelen oder verbleibenden Energien Verstorbener. Eine jenseitige Energie, die im Diesseits noch ein unfinished business zu erledigen hat, die „spukt”. Ein Verständnis, dessen Hauptaugenmerk auf dem Jenseits liegt, so wie sich auch das Christentum am Jenseits orientiert. In Japan gibt es eine andere Auffassung von Geistern, eine diesseitige. Dort werden Geister als eine Art Beseelung der Umwelt verstanden. Der Glaube an Geister ist dort eine Anerkennung der Energien unserer belebten und auch unbelebten Umgebung und der Interaktionen mit ihnen, die dann auch beseelt sind, also eine Seele, einen Geist besitzen. Erinnerst Du Dich daran, wann Du zum ersten Mal auf ein Yōkai gestoßen bist?
F: Zum ersten Mal bin ich einem Yōkai auf dem Takao-Berg bei Tokyo begegnet, damals bei meinem ersten Japanbesuch im Jahr 1999. Dort lebt Tengu, ein langnasiges Wesen, das versucht, die Menschen vom Weg zur Erleuchtung abzubringen. Aber so richtig begeistert war ich damals nicht. Ich fand den Tengu eher etwas komisch und habe den „Nasenmann” auch mehr als Logo einer Izakaya in Shinjuku in Erinnerung. Aber ich habe im Laufe der Jahre immer beeindruckendere Geister kennengelernt, als letztes Amabie, ein fischähnliches Wesen und Seuchenmaskottchen. Mir gefallen diese Zwischenweltwesen – und diese Selbstverständlichkeit, mit der auf Yōkai zurückgegriffen wird, um ihnen in der heutigen Welt auch von offizieller Seite eine Funktion zu geben. Das ist mit hiesigen Fabelwesen undenkbar. Es gäbe nie eine Undine oder den Meermann Ekke Nekkepenn auf einer Anzeige des Gesundheitsministeriums!
Zur Ausstellung erscheint das Poster „Im Gespräch VI“.